Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Zeiten ändern sich, Gesetze auch.
Das Landesarchivgesetz aus dem Jahr 1987 war lange ein verlässlicher Rahmen. Doch es stammt aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der Archive aus Papier, aus Regalen, aus Karteikarten bestanden.
Heute leben wir in einer neuen Wirklichkeit: Informationen entstehen digital, verbreiten sich in Echtzeit – und sind dabei flüchtiger denn je. Datenflüsse verändern unser Verständnis von Wissen und Dokumentation.
Es war also höchste Zeit.
Zeit für eine Reform, die diesen tiefgreifenden Wandel nicht nur nachvollzieht – sondern aktiv mitgestaltet.
So beraten wir heute in der zweiten Lesung eine Novelle, die Bewährtes erhält – aber zugleich mutig das Terrain des digitalen Zeitalters betritt.
Wir schaffen neue Klarheit in den Begriffen.
Wir sichern, dass auch digitale Unterlagen als archivwürdig gelten.
Und wir sorgen dafür, dass sie langfristig erhalten bleiben – lesbar, zugänglich und überprüfbar.
Denn es reicht nicht, Informationen zu speichern. Wir müssen sie auch verstehen, einordnen und – im besten Sinne – erinnern können.
Archive sind keine bloßen Speicherorte. Sie sind Gedächtnisorte. Sie bewahren das, was eine Gesellschaft für erinnerungswürdig hält – und sie treffen damit Entscheidungen über unsere kollektive Geschichte.
Das heißt, Archive entscheiden mit darüber, was erinnert und was vergessen wird.
Und genau deshalb ist diese Novellierung so bedeutsam.
Wir setzen damit ein klares Zeichen:
- Für eine offene, lernende Gesellschaft.
- Für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.
- Und für die demokratische Verantwortung, Vergangenheit nicht zu tilgen, sondern zugänglich zu machen.
Gerade in einer Zeit, in der Desinformation und politische Narrative um Deutungshoheit ringen, brauchen wir den Zugang zu überprüfbaren Quellen. Zu Originalen. Zu Kontexten.
Informationsfreiheit bleibt auch im digitalen Raum ein hohes Gut. Sie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie braucht gesetzliche Grundlagen, die klar, verständlich – und zukunftsfest – sind.
Das neue Landesarchivgesetz bietet uns diese gesetzliche Grundlage. Getragen wird es von einem breiten fachlichen Konsens und hat einen klaren Blick auf die Zukunft.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Novelle ist die institutionelle Stärkung des Landesarchivs:
- Als Forschungsinfrastruktur.
- Als Kompetenzzentrum.
- Als Ort historisch-politischer Bildung.
Politische Bildung beginnt nicht im luftleeren Raum. Sie braucht Quellen. Sie braucht Einsicht – auch in das, was unbequem war. Und sie braucht Orte, an denen aus Geschichte Erkenntnis wird.
Mit der dauerhaften Verankerung der Dokumentationsstelle Rechtsextremismus gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt. Einen Schritt gegen das Vergessen. Und für eine wehrhafte Demokratie, die sich ihrer Geschichte stellt – und daraus lernt.
Und genau deshalb lehnen wir den Änderungsantrag der AfD ab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Entstehung dieses Gesetzentwurfs war geprägt von vielen Stimmen. Der Landesdatenschutzbeauftragte, die kommunalen Spitzenverbände, der Verband der Archivarinnen und Archivare – sie alle haben sich eingebracht.
In einem offenen, oft kritischen, aber immer konstruktiven Dialog. Vielen Dank dafür!
Nicht jede Anregung konnte eins zu eins übernommen werden. Aber jede Rückmeldung hat dazu beigetragen, den Entwurf klarer, rechtssicherer und ausgewogener zu machen.
Wichtig bleibt:
Archive sind keine Orte des Stillstands. Sie leben davon, dass wir sie nutzen. Dass wir uns erinnern. Und dass wir Verantwortung übernehmen – auch für das, was vor unserer Zeit geschehen ist.
Nicht, weil wir Vergangenes festhalten wollen – sondern weil wir die Zukunft nicht ohne die Vergangenheit verstehen können.
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