Wir Grüne wollen es der Polizei einfacher machen, schwere Straftaten zu verhindern. Darum haben wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner bereits im Herbst 2024 in einem Sicherheitspaket vereinbart, eine Rechtsgrundlage für die Durchführung automatisierter Datenanalysen zu schaffen. Wenn es darauf ankommt, muss die Polizei die Daten, die ihr zur Verfügung stehen, schnell und sinnvoll verknüpfen können, um Zusammenhänge zu erkennen, Personen zu identifizieren und Gefahren abzuwehren.

Hintergrund

Die Polizei in Baden-Württemberg hat einen Vertrag über fünf Jahre mit dem US-Unternehmen Palantir abgeschlossen, um deren Analyse-Software „Gotham“ zu nutzen. Kostenpunkt über den Zeitraum rund 25 Millionen Euro. Doch noch fehlt die gesetzliche Grundlage für den Einsatz.

Warum hat das Land den Vertrag trotzdem unterschrieben?

Ohne unser Wissen und ohne unsere Zustimmung hat das CDU-geführte Innenministerium im März 2025 einen Vertrag mit Palantir abgeschlossen. Damit hat die CDU den letzten Schritt vor dem ersten gemacht. Die richtige Reihenfolge wäre gewesen: Erst eine Rechtsgrundlage durch eine Änderung des Polizeigesetzes schaffen, dann eine Software auswählen und am Schluss einen Vertrag mit einem geeigneten Anbieter abschließen.

Wofür wird „Gotham“ genau genutzt?

Die Software wurde speziell für Sicherheitsbehörden entwickelt und wird von Geheimdiensten, Militär und Polizei genutzt. Die Ermittler:innen kämpfen mit immer größeren Datenbergen. Mit „Gotham“ können Millionen Daten aus verschiedenen, polizeiinternen Quellen ausgewertet und verknüpft werden. Das Programm hat dabei nur Zugriff auf Informationen, die die Polizei ohnehin schon gesammelt hat. Aus Polizeidatenbanken und Überwachungsmaterial sollen so automatisiert Zusammenhänge zwischen Personen, Orten und Ereignissen aufgedeckt werden.

Wer steht hinter der Software?

Das Unternehmen Palantir, das 2003 in den USA gegründet wurde – unter anderem von Tech-Milliardär Peter Thiel. Er ist bekannt für seine libertären und rechtskonservativen Positionen, seine Nähe zu Donald Trump und seine Kritik an liberalen Demokratien. In Europa sehen viele Thiel kritisch – ebenso wie die Idee, sicherheitsrelevante Infrastruktur von US-Unternehmen abhängig zu machen.

Wie hilfreich ist die Software für die Polizei im Alltag?

In Bayern allein nutzte die Polizei die Software laut Landeskriminalamt seit Anfang September 97 Mal. Rund 200 dafür geschulte Analyst:innen arbeiteten mit der Plattform. Anfragen, für die Beamt:innen früher teils mehrere Tage benötigten, seien nun „nach wenigen Minuten“ erledigt. Der Sprecher bezeichnete die Software als ideales Werkzeug für die Polizei. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG), Landesverband Baden-Württemberg e.V., forderte zuletzt im August 2025 von der Politik ein entsprechendes Hilfsmittel.

Warum werden wir dem Polizeigesetz zustimmen?

Wir Grüne wollen, dass unsere Polizei die automatisierte Datenanalyse nutzen kann, um schwere Straftaten zu verhindern. Dieses Instrument braucht die Polizei jetzt, und nicht erst in fünf Jahren. Hinzu kommt: Ändern wir das Polizeigesetz nicht, gehen die 25 Millionen Euro ab Herbst 2025 ohne Gegenleistung an Palantir. Und gleichzeitig könnte die Polizei ein Instrument nicht nutzen, das einen realen Mehrwert für die Sicherheit in Baden-Württemberg bieten kann.

In dieser Situation mussten wir abwägen und haben uns entschieden, die entsprechende Gesetzesgrundlage jetzt zu schaffen. Das ändert aber nichts an unserer kritischen Haltung zum Einsatz der Palantir-Software. Das Gesetz ist bewusst technikoffen gehalten, das heißt es enthält keine Festlegung auf einen bestimmten Anbieter.

Was wir jetzt tun: Kontrolle ermöglichen, Risiken einhegen

In den Verhandlungen haben wir Grüne durchgesetzt, dass die Durchführung der Datenanalysen der parlamentarischen Kontrolle unterliegen wird. Das hegt die Risiken ein und schafft mehr Transparenz. Den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums werden hierfür unter anderem IT-Sicherheitsberichte zur Software-Nutzung und die durchgeführten IT-Audits vorgelegt.

Ausformuliert bedeutet dies:

  • Es wird eine umfassende parlamentarische Kontrolle des Einsatzes von ‚Gotham‘ geben: Der Einsatz durch die Polizei wird umfassend demokratisch kontrolliert. Dazu werden die Zuständigkeiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums erweitert. Das Gremium wird mindestens viermal jährlich unterrichtet werden. Dem Gremium werden dabei unter anderem ein IT-Sicherheitsbericht zur Software-Nutzung und die durchgeführten IT-Audits durch das Bundesamt für Informationssicherheit vorgelegt.
  • Die Nutzung von ‚Gotham‘ ist als Übergangslösung angelegt, der Vertrag wird nach Ablauf nicht verlängert.
  • Ziel ist die Entwicklung einer souveränen europäischen Software, die die notwendigen technischen Fähigkeiten zur Recherche und Analyse großer Mengen polizeilicher Daten langfristig und unabhängig gewährleistet.
  • Die KI-Komponente der Software kommt nicht zum Einsatz.
  • Aufgrund der anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Rechtsgrundlagen zum Einsatz von ‚Gotham‘ in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen wird das geplante neue Polizeigesetz auch nach Inkrafttreten auf sich ggfs. ergebende höchstrichterliche Vorgaben überprüft und ggf. angepasst.

Fragen zur Software von Palantir

Datensammlung bei Palantir?

  • Die Firma Palantir hat keinen Zugriff auf Daten und kann diese auch nicht sammeln.
  • Die Software von Palantir bietet eine Analyseplattform, an die Datenbanken angeschlossen werden, auf die die Polizei Zugriff hat. Es handelt sich um bereits rechtmäßig vorhandene Daten, die automatisiert zusammengeführt werden. Damit wird lediglich die händische Suche automatisiert und somit relevant beschleunigt. Was sonst händisch über Tage erfolgt, wird auf Knopfdruck zur Verfügung gestellt.

Werden Daten von Unbeteiligten und auch „weiche“ Daten (z.B. Strafzettel) einbezogen?

  • Es werden Daten einbezogen, die rechtmäßig nach den polizeirechtlichen Speicherfristen gespeichert werden. Die Speicherfristen sind sehr unterschiedlich und können von wenigen Wochen bis zu unbegrenzter Zeit reichen.
  • Es werden Daten einbezogen, die auch bei einer händischen Auswertung gesichtet werden. Auch scheinbar belanglose Daten können für eine Ermittlung bzw. Gefährdungsbewertung von entscheidender Bedeutung sein.

Wie wird die hypothetische Datenneuerhebung berücksichtigt?

  • Hier geht es um die Beachtung von datenschutzrechtlichen Vorgaben. Vereinfacht ausgedrückt dürfen Daten nur dann für neue Sachverhalte genutzt werden, wenn die Rechtsgrundlage zur Erhebung der Daten im neuen Sachverhalt besteht.
  • Rechtlich bestehen bereits entsprechende Regelungen im Polizeigesetz. Diese müssen auch bei der Implementierung von ‚Gotham‘ und entsprechend bei Palantir berücksichtigt werden.
  • Darüber hinaus sind enge Zugriffsrechte für die Nutzer:innen vorgesehen.

Warum können keine Daten abfließen? Wie wird die Software angebunden?

  • Die Software darf vertraglich einschließlich Updates u.a. keine Funktionen zum unerwünschten Absetzen/Ausleiten von Daten, Funktionen zur unerwünschten Veränderung/Manipulation von Daten oder der Ablauflogik oder Funktionen zum unerwünschten Einleiten von Daten oder unerwünschte Funktionserweiterungen enthalten (sog. Backdoors).
  • Die Infrastruktur zum Betrieb wird bei der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung unter Hoheit der Polizei aufgebaut. Eine Anbindung an das Internet erfolgt nicht. Die Datenleitung ist gesondert geschützt (analog zum Landesverwaltungsnetz).
  • Das Fraunhofer Institut untersuchte die Software und stellte keine Funktionalitäten fest, die einen Datenabfluss oder Systemzugriff ermöglichen.

Ist ein Betrieb von ‚Gotham‘ mit Blick auf die Klagen dagegen überhaupt möglich?

  • Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz und die Nutzung eines bestimmten Herstellers bisher nicht ausgeschlossen und gleichzeitig Vorgaben zur verfassungskonformen Nutzung erstellt. Daran orientiert sich der Entwurf des Polizeigesetzes eng.
  • Weitere Rechtsprechungen des BVerfG sind bindend und werden berücksichtigt. Sofern sich künftig aufgrund entsprechender Rechtsprechung Änderungsbedarf am Polizeigesetz ergibt, wird dieser umgesetzt. Dazu ist die Regierung verpflichtet.

Durfte das Innenministerium (IM) den Vertrag mit Palantir abschließen?

  • Ja. Jedes Ministerium darf in seinem Geschäftsbereich Verträge schließen. Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Grundlage im Polizeigesetz, es müssen nur die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein.
  • Sofern Kosten entstehen, muss das IM in der Lage sein, diese zu bezahlen.
  • Das war hier der Fall. Das IM hatte entsprechende Mittel im Haushalt bewilligt bekommen.

Warum wird das IM nicht gezwungen, den Vertrag mit Palantir zu kündigen und neu auszuschreiben?

  • Es gibt keine Möglichkeit, das IM zu einer Kündigung zu zwingen.
  • Das IM hat außerdem nachvollziehbar erklärt, dass es keinen Kündigungsgrund gibt, sodass rechtlich keine Möglichkeit besteht, aus dem Vertrag auszusteigen.

Aber: Der Vertrag wird nach Ablauf nicht verlängert. Die Landesregierung setzt sich aktiv für die Entwicklung einer europäischen Lösung ein. Der Innenminister hat hierzu bereits mit entsprechenden Firmen Kontakt aufgenommen

Fazit

Ich verstehe alle, die die Nutzung der Analysesoftware ‚Gotham‘ des Unternehmens Palantir kritisch sehen. Ich sehe das genauso. Dass das Innenministerium den Vertrag mit Palantir wie bekannt beschlossen hat, sehe ich mindestens als großes Foul an.

Klar ist aber auch, dass unsere Polizei heute vor vielfältigen Herausforderungen steht: Sehr große Mengen an Daten müssen möglichst schnell analysiert werden, damit Verbrechen aufgeklärt und Terroranschläge verhindert werden können. Diese Arbeit bindet tagtäglich viele Beamt:innen, die dann nicht an anderen Stellen eingesetzt werden können. Kontrollen, Durchsuchungen und persönliche Ansprache können in der wieder freiwerdenden Arbeitszeit durchgeführt werden – Dinge, die kein Computer erledigen kann, und die elementar für die Bekämpfung und Aufklärung von Verbrechen sind.

Als Grüne Landtagsfraktion konnten wir, wie oben beschrieben, einige Verbesserungen im Gesetz verhandeln.

Jetzt richten wir den Blick jetzt nach vorne – auf eine Aufgabe, die wir dringend anpacken müssen: Die Landesregierung setzt sich aktiv dafür ein, dass spätestens bis zum Vertragsende im Jahr 2030 eine sichere Software aus Europa bereitsteht.

Unser klares Ziel ist: Wir wollen auf eine einsatzbereite Alternative umsteigen. Denn in Anbetracht der geopolitischen Lage brauchen wir gerade im Sicherheitsbereich mehr europäische Eigenständigkeit und größtmögliche digitale Souveränität.