Heute durfte ich eine Rede zum Internationalen Frauentag in Mühlacker halten. Es ist ein wichtiger Tag, der uns verdeutlicht, dass wir für die Gleichberechtigung, auch in Deutschland, noch viel kämpfen müssen. Denn es sollte 365 Weltfrauentage im Jahr geben.

Liebe Frauen,

 

am vergangenen Freitag war ich beim Weltgebetstag der Frauen, bei dem in diesem Jahr die bedrückende Lage der Frauen auf den Philippinen thematisiert wurde, die in vielfältiger Weise Armut, Unterdrückung und Diskriminierung erfahren.

 

Heute am internationalen Frauentag soll es um die Lage der Frauen bei uns in Deutschland gehen. Was aber bedeutet Frau sein hier eigentlich, 106 Jahre nachdem der erste Frauentag gefeiert wurde?

Frau sein

  • das heißt noch immer nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu erhalten

Frau sein

  • das heißt, in Deutschland mit einer Wahrscheinlichkeit von 40 % psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt zu erfahren

Frau sein

  • das heißt, in der Kindheit von pinkfarbenen Rüschen- und Prinzessinenträumen erdrückt zu werden

Frau sein

  • das heißt, sexuelle Anzüglichkeiten und diskriminierende Sprüche zu hören, sexistische Werbung ansehen zu müssen und dann auf Unverständnis zu stoßen, wenn man sich dagegen wendet

Frau sein

  • das heißt, als zickig und dominant abgestempelt zu werden, wenn man sich durchsetzt

Frau sein

  • das heißt, Familie und Beruf nach wie vor nur schwer unter einen Hut zu bekommen
  • es heißt für nicht wenige aber auch, sich selbst unter Druck zu setzen, um sich nach außen hin als Supermutter und Karrierefrau präsentieren zu können

und nicht zuletzt heißt Frau sein

  • sich im Landtag von Baden-Württemberg ganz überwiegend von Männern vertreten lassen zu müssen, da weniger als ein Viertel der Abgeordneten Frauen sind. Mit diesem Anteil stehen wir übrigens gemeinsam mit Sachsen-Anhalt auf dem letzten Platz in Deutschland.

Der Internationale Frauentag macht aufmerksam auf die Verhältnisse, in denen wir als Frau jeden Tag leben. Aufmerksam auf Situationen, die wir täglich selbst erfahren.

Es geht am internationalen Frauentag aber natürlich nicht nur darum, Situationen zu erkennen, sondern auch darum, etwas dagegen zu tun.

Deshalb heißt Frau sein

  • auch, sich gegen diese Situationen, gegen das immer noch vorherrschende Gesellschaftsbild, gegen strukturelle Diskriminierung in unserem Land zu wehren.

Frau sein

  • erfordert, sich mit anderen Frauen zu solidarisieren, sich gegenseitig zu unterstützen, Frauen auch zu wählen
  • zu erkennen, dass nicht jede von uns nur individuelle Probleme hat, sondern dass es geschlechtsspezifische Probleme gibt, die inakzeptabel sind

Frau sein

  • das bedeutet wahrzunehmen, dass durch Werbung und unsere Erziehung Mädchen zu Prinzessinnen und Püppchen und Jungs zu Superhelden erzogen werden
  • und wir deshalb umso mehr in der Pflicht sind, bestehende Rollenbilder und Rollenverteilung zu hinterfragen und aufzubrechen.

Frau sein

  • das bedeutet, sich selbst etwas zuzutrauen und vorhandene Chancen auch zu nutzen.

Und – Frau sein

  • bedeutet, einzufordern was uns zusteht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Liebe Frauen,

seit vielen Jahren streite ich für Frauen- und Gleichstellungspolitik, denn hierbei geht es um Gerechtigkeit und Lebenschancen.

In jüngster Zeit sind jedoch vermehrt wieder rückwärtsgewandte Töne zu vernehmen. Es gibt nicht wenige, die meinen, wir haben schon genug erreicht, wir brauchen keinen Feminismus, kein Gender-Mainstreaming, keine Emanzipation, keine Frauenquoten … mehr. Wir sehen gerade auch in der Politik neue Kräfte am Werk, die das Rad wieder zurückdrehen möchten.

Oft wird gerade bei der Frauenquote aber der Weg mit dem Ziel verwechselt. Frauenquoten sind nicht das Ziel, sie sind eine Krücke, ein Hilfsmittel auf dem Weg zu unserem Ziel einer geschlechtergerechten Gesellschaft.

Am Ziel sind wir erst, wenn wir keine Rollenklischees, keine Gehaltsunterschiede, keine Jobdiskriminierungen, keine gläserne Decke mehr haben. Am Ziel sind wir erst, wenn Frauen sich nicht mehr zwischen Kindern und Karriere entscheiden müssen und die Schranken für eine echte Gleichstellung auch nicht mehr in unseren Köpfen vorhanden sind.

Dann erst brauchen wir keine Frauenquoten und Frauenbeauftragten mehr.

Bis dahin aber müssen wir uns weiter dafür einsetzen, dass Frau sein zwar eine Bezeichnung des biologischen Geschlechts, aber nicht mehr der Lebensumstände und Lebenschancen sein darf.

Aber – weil es im Leben nicht nur um Kampf, sondern auch ums Feiern gehen sollte, eben um Brot und Rosen, wünsche ich uns allen an diesem internationalen Frauentag einen wunderbaren, vergnüglichen Abend!

 

 

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