Rund 40 interessierte Menschen nutzen die Möglichkeit, um sich mit der Landtagsabgeordneten Stefanie Seemann und der Bundestagskandidatin der Grünen Stephanie Aeffner auf dem Auenhof in Neulingen-Bauschlott auszutauschen.

Die Veranstaltung sollte dem Austausch zwischen Betroffenen, deren Eltern, der Verwaltung des Auenhofs und den beiden Politikerinnen dienen. Vor allem sollte es um die Herausforderungen gehen, vor denen die Verwaltung sowie engagierte Eltern stehen, seitdem sie die Planung einer Erweiterung der Wohnflächen der Einrichtung angegangen sind. Dass der Bedarf nach Wohnraum für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Landkreis sehr hoch ist, stellte Herr Ilg, der die Koordination des geplanten Wohnprojekts übernommen hat, gleich am Anfang klar: Sie hätten mittlerweile 100 Interessierte auf der Warteliste. Dem gegenüber stünden 20 neue Wohneinheiten.

Stephanie Aeffner, die derzeit noch Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen ist, beantwortete über eine Stunde lang die teils sehr detaillierten Fragen der Anwesenden. „Dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in den einzelnen Kreisen stockt, ist mehr als ärgerlich“, so die Grüne nach dem Gespräch. Ihr sei vollkommen klar, dass es noch sehr viel zu tun gäbe, um Menschen mit Unterstützungsbedarfen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dabei müssten ganz besonders ambulante Wohnformen, wie die auf dem Auenhof geplanten, Unterstützung von staatlicher Seite aus finden. Leider liege der Fehler aber im Bundesteilhabegesetz selbst, das für stationäre Angebote höhere Wohnkosten anerkenne als für ambulante, so Aeffner weiter.

Probleme mache vor allem die Refinanzierung des Projektes. Der Kreis übernehme offenbar lieber hohe Kosten für Fahrten vom und zum Auenhof, als Kosten für die Unterkunft dort. Aber auch die bestehenden Förderbedingungen sind verbesserungswürdig, so die Bewertung der betroffenen Menschen. Dabei wünschten sich viele Betroffene nichts mehr, als endlich bei den Eltern ausziehen und ein eigenständiges Leben führen zu können. Zahlreiche von ihnen waren anwesend und schilderten ihre Situation und Wünsche sehr anschaulich.

Klar wurde auch: Bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes auf Landes- und Kreisebene kommt es immer wieder zu Widersprüchen in der Zielsetzung. Einerseits bekenne sich das Land klar dazu, dass ambulante Wohnformen gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention Vorrang haben.  Andererseits werde die stationäre Unterbringung finanziell im Bundesrecht deutlich bessergestellt. Auch hier zeigten sich laut Aeffner die Herausforderungen des Föderalismus. Deshalb hat das Land in der letzten Legislaturperiode ein Förderprogramm aufgelegt, damit Wohnraum in ambulanten WGs für Menschen mit Behinderungen geschaffen wird. Den gibt es bisher kaum. „Damit Menschen mit Behinderungen echte Wahlfreiheit haben, wie und wo sie leben, braucht es den entsprechenden Wohnraum. Im Land ist im Koalitionsvertrag dafür schon eine Unterstützung vereinbart – auf Bundesebene werde ich mich für entsprechende Änderungen einsetzen, wenn ich in den Bundestag gewählt werde“, versprach Aeffner.

„Leider ist Veränderung immer sehr mühsam. Vor allem wenn es um ein System geht, das seit Jahrzehnten existiert“, so Seemann. Einig war man sich daher in der Frage, worum es im Kern ginge; nämlich Menschen mit Unterstützungsbedarf ein möglichst gutes und eigenständiges Leben zu ermöglichen – genau wie allen anderen Menschen im Land auch.

Hintergrund:

Die Auenhof Wohnen und Arbeiten gGmbH bieten Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen seit 2003 die Möglichkeit, am Hof zu leben und zu arbeiten. Dabei stehen u.a. eine Wäscherei, eine Demeter-zertifizierte Gärtnerei und eine Vorbereitungsküche auf dem Gelände zur Verfügung. Ziel ist es, den dort lebenden Menschen ein möglichst selbstständiges Leben zu ermöglichen. Momentan bietet der Auenhof 32 Wohnplätze vor Ort und 6 in Wohngemeinschaften. Insgesamt werden in Bauschlott gut hundert Menschen in den Bereichen Wohnen und Arbeiten vor dem Hintergrund des anthroposophischen Menschenbildes begleitet.