Birkenfeld/ Stuttgart, 26.05.2020

Die Probleme in der Fleischindustrie wurden im Enzkreis in den letzten Wochen nur allzu offensichtlich: Ausbeuterische Arbeitsbedingungen und unwürdige Unterbringung in Schrottimmobilien mit Wuchermieten seien nur zwei der Auswüchse in einer Branche, die sich mittlerweile in einem globalisierten Markt bewegt, stellt Stefanie Seemann fest. „Wenn oftmals weder LandwirtInnen noch die in der Verarbeitung Beschäftigten auskömmlich von der Vermarktung von Schlachttieren leben können, müssen wir das gesamte System hinterfragen“, ist die Grüne Landtagsabgeordnete sich sicher.

Ihrem Parteikollegen, dem Bundesvorsitzenden der Grünen Robert Habeck, folgend, stehe auch sie hinter der Idee, Mindestpreise für Fleischprodukte einzuführen. „Zumindest die Entstehungskosten müssen doch gedeckt werden“, findet die Grüne Abgeordnete. Darin eingeschlossen seien mindestens sowohl die Kosten, die Landwirtinnen und Landwirte haben, wie auch Transport- und Schlachtkosten mitsamt aller Löhne, die anfallen.

Des Weiteren müsse man das System der Werkverträge und Subunternehmen aufbrechen. Wie sie bereits in ihrer Stellungnahme vom 5. Mai 2020 betonte, sei es dabei dringend notwendig, dass alle Ebenen zusammenarbeiteten. Eine Kommune oder ein Landkreis allein könne die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten im System der Subunternehmen nicht lösen. „Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen,“ ist sie sich sicher.

Den Vorstoß von Bundesarbeitsminister Heil begrüße sie grundsätzlich. Nur übersehe er, dass ausbeuterische Arbeitsbedingungen nicht auf die Fleischindustrie beschränkt seien. Werkverträge sollten auch in anderen Branchen kritisch hinterfragt werden. Zusätzlich müsse man darauf achten, dass die WerkvertragsnehmerInnen nicht direkt als LeiharbeiterInnen weiterbeschäftigt würden. So würde sich an ihrer prekären Beschäftigungssituation nur wenig ändern.

„Es bringt nichts, die Verantwortung allein auf die Bundesebene abzuschieben“, findet Seemann. Auf Landesebene setze sie sich dafür ein, äquivalent zu einer Regelung in Niedersachsen Wege zur Verbesserung der Wohnsituation der Beschäftigten zu entwickeln. Denkbar wären dabei u.a. die Einforderung einer Mindest-Quadratmeterzahl pro Person und Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse, an Hygiene, Ausstattung und Brandschutz. Von den Verantwortlichen im Enzkreis bekäme sie häufig die Rückmeldung, sie hätten zu geringe Eingriffsmöglichkeiten bezüglich der Sammelunterkünfte.

„ArbeitgeberInnen müssen endlich alle die Verantwortung für die in ihren Produktionsstraßen arbeitenden Menschen übernehmen“, ist Seemann überzeugt. Daher stelle sie sich ebenso hinter Habecks Vorstoß der Generalunternehmerhaftung. Was in den meisten Unternehmen selbstverständlich sei, müsse in manchen Branchen offenbar gesetzlich geregelt werden. Aus den Stellungnahmen der Brüder Müller habe man in den vergangenen Wochen leider kaum Problembewusstsein herauslesen können. Dass Landwirtschaftsminister Hauk, CDU, sich gestern hinter die Brüder gestellt habe, sei aus ihrer Sicht mehr als bedenklich. „Im Gegensatz zu Herrn Hauk führt aus meiner Sicht kein Weg an einem generellen, politischen Durchgreifen an Schlachthöfen und der Fleischindustrie vorbei.“