Pressemitteilung
Pforzheim, 06.05.2020
Seit Tagen drehen sich die meisten Gespräche, die Stefanie Seemann führt, um die Müller Fleisch GmbH aus Birkenfeld, eines der größten fleischverarbeitenden Unternehmen im süddeutschen Raum mit rund 1100 Mitarbeiter_innen am Standort Birkenfeld. Nachdem klar wurde, dass sich rund 300 bei Müller Fleisch tätige Personen mit Corvid-19 infiziert hatten, begann die Landtagsabgeordnete das Gespräch mit u.a. Verantwortlichen auf verschiedenen Ebenen zu suchen.
Schnell habe sich herausgestellt: Die Herausforderungen liegen auf so unterschiedlichen Ebenen, dass es keine einfache Lösung für das Problem geben kann. Die Erkrankungen der Angestellten, die teils in Gemeinschaftsunterkünften in beengten Wohnverhältnissen leben, hätten nur die ganze Tragweite des Problems weithin sichtbar gemacht. Dass sich stark ansteckende Infektionskrankheiten unter derart beengt untergebrachten Menschen rasend schnell ausbreiteten, dürfe niemanden wundern, so Seemann weiter. Und dass sich das Unternehmen aus Birkenfeld sehr zögerlich war als es darum ging, sich an den Unterbringungskosten der in Quarantäne befindlichen Mitarbeiter_innen zu beteiligen, zeige, wie weit man sich aus der sozialen Verantwortung ziehe.
„Die Corona-Krise fungiert an dieser Stelle einmal mehr als sozialer Brandbeschleuniger“, stellt Seemann fest. Sie bezieht sich dabei auf die gängige Praxis mancher Branchen, große Teile ihrer Mitarbeiter_innen nicht selber unter Vertrag zu nehmen. Stattdessen beschäftigten sie Leiharbeiter_innen oder über Werksverträge Angestellte von Subunternehmen. Damit würde u.a. der Kündigungsschutz ausgehebelt. Man könne die so Angestellten, die teilweise dringend auf die in Deutschland erzielten Löhne angewiesen sind, um ihre Familien in ihren Herkunftsländern zu ernähren, hin- und herschieben, wie man wolle. „Diese Praxis sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein. Die Regelung diente ursprünglich dazu, konjunkturelle Engpässe aufzufangen, nicht Arbeitnehmer_innen dauerhaft in einer unsicheren Anstellung zu halten“, stellt Seemann klar. Bei Müller Fleisch arbeiteten gut 600 der 1100 Beschäftigten am Standort für Subunternehmen – und sind somit prekär beschäftigt. Um Geld zu sparen brächten die Subunternehmer „ihre“ Angestellten in Massenunterkünften unter. Diese lägen oft in Schrottimmobilen, deren meist aus der Region stammenden Vermieter_innen wiederum gut an dem Geschäft mit den Osteuropäer_innen verdienten.
Die letzten Wochen hätten eines deutlich gezeigt: Manche Branchen und deren Preispolitik funktionierten lediglich über die Ausnutzung jeglicher rechtlicher Schlupflöcher. Dabei sei es egal, ob es sich um Arbeitsrecht, Brand- oder Gesundheitsschutz handele, so die Abgeordnete weiter. Das beträfe nicht nur Müller Fleisch. Ähnliche Konflikte träten in vielen Enzkreis-Gemeinden auf. „Um Überbelegung und die Nutzung von Schrottimmobilien zu verhindern, muss noch intensiver geprüft werden, ob nicht Regelungen zum Brandschutz, zur Zweckentfremdung und beispielsweise zum Gesundheitsschutz seitens der betroffenen Kommunen oder des Landratsamtes angewendet werden können“, ist sich Seemann sicher.
Weiter mahnt die Landtagsabgeordnete: „Es muss zukünftig auf allen Ebenen, Bund, Land und Kommunen, alle Anstrengungen unternommen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um bestehendes Recht anzuwenden und Schlupflöcher zu schließen. Es kann nicht sein, dass in einem Land wie Deutschland durch Konzepte mit Subunternehmungen die Not von Arbeitskräften aus dem europäischen Ausland ausgenutzt wird und diese unter unwürdigen Bedingungen leben und arbeiten müssen.“
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