Plenarrede 11.4.2018: Aktuelle Debatte

Gemeinsam den demografischen Wandel gestalten

  • Für eine generationengerechte Zukunft Baden –Württembergs

 

Gliederung:

  1. Einleitung: Relevanz der Debatte: Zukunftsentscheidend
  2. Generationengerechtigkeit
  3. Rolle des Landes – einer Querschnittsaufgabe gerecht werden

 

 

  1. Einleitung: Relevanz der Debatte: Zukunftsentscheidend

Frau Vorsitzende,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

herzlichen Dank an die CDU für diese aktuelle Debatte. Wie wir den demografischen Wandel gestalten wollen, ist eines der großen Zukunftsthemen. Es entscheidet darüber, wie sich unser aller Leben und unsere Gesellschaft weiterentwickeln.

Fakt ist: der demografische Wandel ist eine nicht aufhaltbare Entwicklung, die uns in allen Lebensbereichen berührt, es prägt jeden Aspekt unseres Zusammenlebens.

Der Demografische Wandel betrifft uns alle und doch alle ganz unterschiedlich. Je nachdem, wo wir leben, wie alt wir sind, welches Geschlecht wir haben, womit wir unser Geld verdienen, wie unsere Familienverhältnisse sind, unsere Zukunftspläne und und und – wir alle werden diese Entwicklung anders erleben und in unterschiedlicher Form damit umgehen.

Gerade deswegen: Diese Querschnittsaufgabe kann nur gemeinsam von uns allen bewältigt werden!

Die grün-schwarze Landesregierung packt diese Querschnittsaufgabe an. Insbesondere möchte ich mich dafür bei unserem Minister für den gesellschaftlichen Zusammenhalt Manne Lucha und unserem Demografiebeauftragten Thaddäus Kunzmann bedanken!

 

  1. Doch um was geht es denn nun konkret?

Wie auch immer wir betroffen sind: Im Kern geht es bei der Gestaltung des demografischen Wandels um die Frage nach einer generationengerechten Zukunft.

Was bedeutet das?

Gerechtigkeitstheorien und Gerechtigkeitsforschung sind so vielschichtig und umfassend, dass die Komplexität dieser Frage nach Gerechtigkeit einer gesellschaftlichen Ordnung nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der praktischen Politik uns immer wieder herausfordert.

Prof. Dr. Dr. Jörg Tremmel, einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet (übrigens ein Baden-Württemberger) hat Generationengerechtigkeit folgendermaßen definiert:

Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Chancen nachrückender Generationen auf Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse mindestens so groß sind wie die der vorangegangenen Generation.

Es geht also um die Frage, wie wir es erreichen können, dass es den Menschen von morgen mindestens genauso gut geht wie uns heute.

Es geht also um Nachhaltigkeit, Solidarität und die Zukunft!

Generationengerechtigkeit ist ein Schlüsselwort unserer Gesellschaft, da es zentral um die Lebensverhältnisse der Zukunft geht. Da wir damit explizit den Blick auf die zukünftigen Generationen legen.

Es geht dabei nicht nur um eine soziale Perspektive, sondern auch um die Grundlagen unserer Erde wie das Klima oder die Umwelt. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen gehört mit Sicherheit zu dem, was kommende Generationen von uns erwarten.

Es gibt keine Gruppe, die sich so wenig bemerkbar machen kann wie die zukünftigen Generationen. Wir können die zukünftigen Generationen nicht fragen, in welcher Welt sie leben wollen. Gerade darin besteht die große Herausforderung zukunftsgerichteter Politik.

Sie erfordert Visionen.

Unser Ziel muss es sein, Verhältnisse zu vererben, in denen auch wir gerne leben würden.

 

  1. Was ist nun die Rolle des Landes dabei?

Generationengerechtigkeit ist ein gesellschaftspolitisches Leitbild. Es weist uns die Richtung, wie unsere Gesellschaft aufgestellt werden soll.

Wir in Baden-Württemberg haben hierfür die besten Voraussetzungen.

Hier ist es schön! Und zwar so schön und so voller beruflicher wie persönlicher Möglichkeiten, dass im Bundesvergleich viele Menschen zuziehen.

Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch uns der demografische Wandel trifft. Herr Kunzmann zeigt es ganz deutlich in seinem Bericht – der Bevölkerungszuwachs wird vor allem die Ballungszentren wachsen lassen. Nicht aber den ländlichen Raum.

Daraus ergeben sich völlig unterschiedliche Fragestellungen:

Einerseits: wie gestalten wir den starken Zuzug in die Ballungszentren? Wie gestalten wir den Siedlungsdruck? Wie gehen wir mit massiven Preissteigerungen für Wohnraum um? Welche Angebote machen wir, um die Zugezogenen, egal wo sie herkommen, zu integrieren? Wie verhindern wir Anonymisierung und schaffen Gemeinschaft?

Andererseits: wie halten wir unsere ländlichen Räume lebendig? Wie schaffen oder erhalten wir dort Infrastrukturen so, dass die Menschen bleiben wollen?

Wir haben also völlig unterschiedliche Herausforderungen zu den selben Themen, Themen wie Gesundheitsversorgung und Carearbeit, Wohnen, Teilhabe, Wirtschaftsstrukturen und Fachkräftemangel, Nahverkehr und Mobilität, Barrierefreiheit, Zugang zu Kultur und Bildung, städtebauliche und infrastrukturelle Fragen und vieles mehr.

Da es um Daseinsvorsorge geht, kommt gerade den Kommunen eine wichtige Rolle zu. Sie gilt es zu unterstützen und fit für den demografischen Wandel zu machen.

Die Landesregierung unterstützt unsere Kommunen dabei und hilft ihnen, sich weiterzuentwickeln. So haben wir im Koalitionsvertrag einen „Demografiebonus“ vereinbart. Dieser soll Kommunen mit stark rückläufiger Bevölkerungszahl bis zu zehn Jahre lang höhere Schlüsselzuweisungen aus den kommunalen Finanzausgleichssystemen garantieren. Zudem sollen Kommunen, die vom demografischen Wandel besonders betroffen sind, mit einer Regionalstrategie „Daseinsvorsorge“ bei ihren Planungen finanziell und strukturell unterstützt werden.

Unsere Landesstrategie „Quartier 2020“ unterstützt Kommunen bei der Quartiersentwicklung. Das Interesse und positive Echo sind groß.

Quartier 2020 ermöglicht den Kommunen die passgenaue Weiterentwicklung an die Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort.

Ich meine – Quartier 2020 das ist genau der richtige Ansatz! Denn: die Kommunen und die Menschen vor Ort sind die Expertinnen und Experten, wenn es um ihre individuellen Bedürfnisse geht!

So unterschiedlich wie sich der demografische Wandel im Leben jedes Einzelnen zeigt, so unterschiedlich er die einzelnen Politikfelder und verschiedenen Regionen unseres Landes betrifft, so differenziert müssen wir uns diesen Herausforderungen stellen.

Quartiersentwicklung, aber auch alle anderen Maßnahmen leben ganz wesentlich vom bürgerschaftlichen Engagement und dem Engagement der Kommunen und ortsansässigen Unternehmen.

Stellen wir uns mal ein Beispiel vor:

Eine Frau aus einem der geburtenstarken Jahrgänge – den Babyboomern. Ich zum Beispiel! Sagen wir mal geboren 1959.

Diese Frau ist jetzt 58 Jahre alt. Noch ein paar Jahre bis zu Rente. Diese wird dürftig ausfallen, denn sie hat lange Jahre wegen der Kinder nur halbtags oder im Minijob gearbeitet. Ihr Mann ist ebenso alt wie sie.

Beide sind noch fit und haben jetzt Lust, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen.

Hierbei spielt ganz besonders das ehrenamtliche Engagement eine große Rolle.

Die geburtenstarken Jahrgänge werden zu rüstigen Rentnern. Best Ager, die nicht untätig daheim sitzen wollen. Das birgt ein großes Potenzial. Diese Menschen müssen wir dafür gewinnen, sich aktiv einzubringen.

Beide wohnen noch in einem großen Haus, in dem früher die Familie mit den Kindern Platz hatte. Da sich die ersten Altersbeschwerden bemerkbar machen, beschließen sie, ihr Haus an eine Familie zu vermieten und zentraler und altersgerecht zu wohnen. Sie ziehen in ein Mehrgenerationenquartier in die Innenstadt. Dort haben sie kurze Wege, gute ÖPNV-Anbindungen und können aktiv am kulturellen Leben teilhaben.

Die Familie, die neu in das Haus einzieht, ist froh, dass sie in einer etwas ländlichen Gegend bezahlbaren Wohnraum gefunden hat. Vor Ort findet die junge Familie alles, um sich wohl zu fühlen – Kindergärten und Schulen, Freizeitangebote, Einkaufsmöglichkeiten. Obgleich wenig Zeit bleibt, leben die Eltern den Kindern Engagement vor und musizieren gemeinsam im Verein.

Nach hoffentlich vielen schönen und engagierten Jahren macht sich bei dem älteren Paar 20 Jahre später das Alter bemerkbar. Die Babyboomer werden zu Hochbetagten, zu Pflegebedürftigen. Ein großer Teil von Ihnen wird von ihren Familien gepflegt. Eine hohe Belastung, zeitlich wie auch finanziell. Inzwischen hat sich allerdings durchgesetzt, dass die gesamte Care-Arbeit nicht weiter an den weiblichen Mitgliedern der Familie hängen bleibt und diese alles parallel zu ihrer Arbeit stemmen müssen. Care-Arbeit wird innerhalb der Familie aufgeteilt. Die Digitalisierung wird nicht als Selbstzweck begriffen, sondern als Hilfsinstrument.

Die medizinische und pflegerische Versorgung richtet sich nach den Bedürfnissen der Betagten. Dort wo es nötig und sinnvoll ist, wird Telemedizin eingesetzt.

Die Pflegeberufe wurden inzwischen aufgewertet. Menschen, die sich für einen dieser wichtigen Berufe entscheiden, können gut davon leben. Ein Teil der Pflegeberufe wurde akademisiert, so dass es ein breites Spektrum im Bereich Pflege gibt.

Zugegeben – ich habe ein sehr optimistisches Zukunftsbild gemalt!

Sicher ist nur, dass sich unsere Altersstruktur ändert. Es liegt an uns, wie wir dies gestalten.

Dafür gilt es jetzt, die Rahmenbedingungen zu setzen. Wir müssen den demografischen Wandel gemeinsam gestalten. Sei es bei der Entwicklung des ÖPNV, bei der Quartiersentwicklung oder bei der Neukonzeption von Care-Arbeit und der Aufwertung von Pflegeberufen.

In Baden-Württemberg machen wir uns gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Akteuren auf diesen Weg!