Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Schnaudigel,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wolff,


sicherlich ist auch Ihnen der Schutz unserer Streuobstwiesen wichtig. Wie Sie wissen, tragen wir in
Baden-Württemberg eine ganz besondere Verantwortung für diesen Lebensraum, der sich durch
europaweit herausragende Biodiversität auszeichnet. Fachleute sprechen von „Hotspots der
Biologischen Vielfalt“ für ganz West- und Mitteleuropa.
Wir verfügen bei uns im Land europaweit über die bedeutendsten Streuobstbestände.
Damit haben wir aber auch europaweit die größte Verantwortung für die Erhaltung dieses vielfältigen
Kultur- und Naturerbes.


Mit großer Überraschung haben wir daher erfahren, dass letzte Woche in Bretten 39 Streuobstbäume
gefällt wurden, die allein schon aufgrund ihres Alters eine besonders hohe naturschutzfachliche
Bedeutung besaßen. Weiterhin waren diese Bäume wichtige Habitate besonders geschützter Arten.
Diese kurzfristige und großflächige Abholzung hat sowohl in allen benachbarten Wahlkreisen wie
auch überregional und sogar landesweit hohe Wellen geschlagen.
Wir schreiben Sie daher gemeinsam in unseren Funktionen als Wahlkreisabgeordnete,
naturschutzpolitischer Sprecher sowie als räumlich angrenzende Wahlkreisabgeordnete der Grünen
Landtagsfraktion an.

Wie Sie sicherlich wissen, hat die grün-schwarze Landesregierung in einem sehr schwierigen, letztlich
aber erfolgreichen Dialog von Naturschutz und Landwirtschaft unter anderem den Schutz unserer
wertvollen Streuobstbestände im Rahmen des Biodiversitätsstärkungsgesetzes im §33a LNatSchG
verankert und im Juli 2020 beschlossen.
Sinn und Zweck der Regelung ist es, Streuobstbestände in möglichst großem Umfang zu erhalten und
sie – so explizit in der Gesetzestextbegründung formuliert – insbesondere vor Inanspruchnahme durch
Bebauung zu schützen. Auch laufende Bebauungsplanverfahren mit Aufstellungsbeschlüssen und
langjährigen Vorplanungen sind hiervon nicht ausgenommen.
Die Landesregierung hat Anfang dieses Jahres in einem zwischen UM, MLR und MLW abgestimmten
Erlass das Schutzziel des §33a LNatSchG nochmals konkretisiert, bekräftigt und alle Naturschutz-,
Landwirtschafts- und Baurechtsbehörden im Land aufgefordert, dem Gesetz Folge zu leisten sowie
entsprechende Bauvorhaben nur in gut begründeten Ausnahmefällen zu genehmigen.
Die gesetzlich vorgeschriebenen und selbstverständlich erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen an
anderer Stelle können im Übrigen keinen adäquaten Ersatz für bestehende Streuobst-bestände
darstellen. Und dies schon gar nicht, wenn es sich wie in Bretten um über 100-jährige Hochstamm-
Obstbäume handelt.
Denn erst im Alter von mindestens 40 Jahren beginnen die Hochstamm-Obstbäume für Flechten und
Moose, Spechte und Nachfolgebewohner der Spechthöhlen wie Siebenschläfer, Fledermäuse oder
geschützte Brutvögel wie Gartenrotschwanz ihre ökologische Wertigkeit zu entwickeln.
Die Genehmigung für die Abholzung der Fläche in Bretten war von daher sicherlich nicht im Sinne des
Gesetzes wie wir es als Vertreterinnen und Vertreter der gesetzgebenden Legislative 2020
verabschiedet haben.
Sehr verwundert sind wir darüber, dass hier in einem laufenden Widerspruchverfahren vollendete
Fakten geschaffen wurden, ohne dass der Widerspruchsführer hierüber zuvor informiert wurde, um
ggf. rechtzeitig vor Beginn der Rodung ein Verfahren des Eilrechtsschutzes vor den
Verwaltungsgerichten aktivieren zu können.
Diese Vorgehensweise missachtet den Rechtsschutz der Widerspruchsführer und verletzt nach
unserer Auffassung die auch rechtsstaatlich gebotene Fairness im Umgang, die wir für das
Funktionieren unserer Demokratie benötigen.
Ihr Vorgehen entspricht in unseren Augen daher nicht einer verantwortungsvollen Wahrnehmung
Ihrer Pflichten als Kommunalpolitiker.
Es wird sowohl grundsätzlich wie im speziellen Fall in Bretten Aufgabe der höheren Behörden sein,
Klarheit über die Maßstäbe für gutes Verwaltungshandeln zu schaffen.
Im Juli 2020 haben wir als Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg nicht unsere Hände für
ein Gesetz gehoben, das seine Wirkung verfehlt, weil es von den Landratsämtern und Gemeinden
allzu leichtfertig „weggewogen“ wird.
Ihr Vorgehen ist für uns daher ein konkreter Anlass um zu prüfen, ob und wie eine
unmissverständliche Formulierung und Verschärfung des Gesetzes erforderlich ist.

Ziel des Schutzes unserer Streuobstbestände vor Bebauung muss eine glasklare und vor
Missinterpretationen zu Lasten der Streuobstbestände geschützte Formulierung sein.
Selbstverständlich verschließen wir uns zu keinem Zeitpunkt einem Austausch.
Wir sind sonst alle an Gesprächen interessiert sowie pragmatisch und erfahren genug, um zu wissen,
dass es in der Politik immer wieder Kompromisse geben muss. Mit der Rodung der alten Hochstamm-
Obstbäume während eines laufenden Widerspruchsverfahren haben Sie aber leider Fakten
geschaffen, die auch das Regierungspräsidium und das Umweltministerium beschäftigen werden und
über die nun zunächst das Verwaltungsgericht Karlsruhe zu urteilen hat.


Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Schwarz, Dr. Markus Rösler, Hermino Katzenstein, Erwin Köhler, Norbert Knopf, Barbara
Saebel, Stefanie Seemann